Ich kann dir sagen, was vielen meiner Generation an Rollern missfällt. Das ist natürlich immer ein Gemenge aus mehreren Grundhaltungen.
Für die letzte Generation derer, die vor dem Rollerboom noch 'richtige' Mofas und Mopeds gefahren sind, war dieser vermeintliche Fortschritt der modernen Roller eigentlich ein Rückschritt.
Automatikfahrzeuge waren immer die am Schlechtesten angesehen Zweiräder, es wurden ganz klar Schaltfahrzeuge bevorzugt, nicht zuletzt deshalb, weil man sich als eine Art 'Vorstufe' zu den 'großen Jungs' begriff und Fahreigenschaften oft wirklich besser waren, insbesondere bei frisierten Kisten.
Dann war die wenig sportliche Haltung auf einem Roller, die auch ganz gerne mit einem Toilettenbesuch verglichen wurde, auch nicht gerade als anzustrebendes Ideal angesehen.
Die kleinen Räder und die typische Gewichtsverteilung eines Rollers waren auch immer Stein des Anstoßes. Es ist auch nicht zu leugnen, dass das wirklich Schwachstellen im Vergleich zu den damals üblichen Mofas und Mopeds sind.
Nicht zuletzt waren die zuletzt populären Mofas, Mopeds und Mokicks die Spitze eines Entwicklungsprozesses, in dem sich das Design über Jahrzehnte weg von einer Fahrradästhetik und hin zu den Grundvorgaben von Motorrädern. Da war ein bei Motorrädern selten vorzufindendes Design wie bei den Rollern eher verpönt und wenig attraktiv. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass die populärsten Mokicks immer teilweise baugleich mit den größeren 50ern, 80ern oder sogar in Zügen Motorrädern war. Die allgemein populärsten Mofas sahen definitiv nicht mehr nach Fahrrad aus, sondern eher wie ein Minimotorrad mit Pedalen. In meinem Umfeld außerordentlich beliebte, teilweise fast kultisch verehrte Mofas waren diese hier: http://www.oldtimer-webring.de/cs25.jpg
http://www.oldtimer-webring.de/cx25.jpg
http://www.flickr.com/photos/ebanatawka/2781823706/
Man begriff sich also als Vorstufe zum Motorradfahren und je näher dieser Mofas und Mopeds an der 'DNA', des Designs und Fahrverhaltens an den Motorrädern dran war, desto besser. Da waren die aufkommenden Roller ein ordentlicher Gegensatz.
Weil bei uns, in den frühen 90er Jahren, die große Zeit der deutschen Hersteller bereits vorbei war und die Objekte der Verehrung oft von Firmen stammten, die gar nicht mehr existierten, mag zum Teil auch ein wenig Nostalgie eine Rolle gespielt haben. Das erklärt, warum zum Beispiel Roller alter Prägung, die komplett aus Blechteilen bestanden und auch geschaltet wurden, auf jeden Fall eher akzeptiert waren. Man hatte auch eine vage Vorstellung von der Mod-Ästhetik der 60er. Ansonsten wurden Roller im wesentlichen allerdings immer noch als 'Popper'-Fahrzeug wahrgenommen, so dass sie immer mit Zeitgenossen assoziert waren, die irgendeiner Mode hinterherhechelten, keinen eigenen Geschmack hatten und so wenig 'Rock 'n Roll' und Rebellion ausstrahlten wie der Konfirmationsanzug, den Mutti ausgesucht hatte. Das verhieß nicht Freiheit und Abenteuer, sondern wirkte nach Muttis Liebling.
Man darf auch nicht vergessen, dass es zu dieser Zeit noch richtige Mofa-Gangs gab, die teilweise sehr weit gingen und die weniger positiven Aspekte von den Großen abkupferten, indem sie sich mit Ordnungshütern anlegten, klauten, Schlägereien anzetteln, selbst weiche Drogen verkauften. Ich kenne selbst einen Fall, wo dieser 'Moped-Club' sich in der Tat später zu einem Motorradclub wandelte, allerdings sehr früh von einem anderen geschluckt wurde.
Von dieser Art Rebellion waren plastikbeplankte Roller sehr sehr weit entfernt. Die ersten, die die heutigen Roller fuhren, waren deshalb auch in meiner Stadt keine Jugendlichen, sondern mehr ältere Männer, die aus reinem Pragmatismus diese Fahrzeuge kauften, weil sie keine nassen Füße mehr bekamen, klassische Rentnerfortbewegungsmittel halt.
Als dann im Laufe der Zeit Rollerhersteller begannen Modelle auf den Markt zu werfen, die bei einem Roller-Setup Designmerkmale von vollverkleideten Sportmotorrädern zu imitieren, sorgten diese 'Chimären' unter vielen meiner Altersgenossen erst recht für Unverständnis.
Es scheint allerdings zunehmend ein Trend weg von Rollern, hin zu Schaltmokicks zu geben. Einige der heute etablierten Rollerhersteller haben neuerdings wieder welche im Programm.
Der Rollerboom war für mich auch nur durch den Niedergang der alten europäischen Mofa- und Mopedhersteller in dieser Form erst möglich.
Vielleicht hängt die jüngste Entwicklung ein wenig damit zusammen, dass die, die damals solche Fahrzeuge bewegten, heute Väter der potenziellen Kunden von diesen kleinen Fahrzeugen sind, die in den 70ern bereits die Entwicklung des Motorrades als Hobby und Freizeitobjekt mitgemacht hatten.
In den 50ern und 60ern fuhr man motorisierte Zweiräder schließlich sehr oft, weil man sich nichts anderes leisten konnte. Das wandelte sich in den 70ern dramatisch. Wenn diese Generation nun beeinflussend auf die Jugend einwirkt, ist das alles andere als verwunderlich.
Alles in Allem kann man sagen, dass man auch in meinem hier geschilderten Szenario nicht von Hass sprechen kann. Es ist vielmehr Unverständnis dafür, dass man diese Art Fahrzeug zu fahren als erstrebenswertes Ideal ansieht. Somit kann man die ganze Angelegenheit durchaus als Generationenproblem betrachten. Klar, dass das dann auch Angriffsfläche für Hohn und Spott bietet.